»We going straight to the Wild Wild West«
(Red Broad / John Holliday)
Kindheitserinnerungen, Jungensträume, lonesome cowboy … Peter Sehringer hat sich in den Mythos des Western begeben: offenen Auges, ungeschützt, leibhaftig. Unmittelbar wie sein Werk auf den Betrachter wirkt, so intensiv lässt sich der Maler auf seine Sujets ein. In seiner aktuellen Serie sind es die postmodernen Abbilder eines Genres, das als Gründungsmythos der USA, später des freien Westens, dann der Freiheit schlechthin vorwiegend im Film Furore machte. Diese Gattung zitiert Peter Sehringer mit einer atemberaubenden Empathie – nicht dass er einer Fiktion der Wildwestromantik huldigt, nein: er versetzt sich in deren Bildwelt. Er vereinnahmt sie in seinem charakteristischen Malstil, der scheinbar distanziert Situationen in schablonenhafter Allgemeingültigkeit zeigt – Silhouetten von Reitern und bewaffneten Menschen, anonymisierte Gruppen von Cowboys und von Indianern, verlassene Städte, wüste Präriegegenden. Zugleich ergreifen diese Bilder Besitz von ihm – und von uns – , eben weil sie der Erinnerung bereits vertraut sind, als seien wir einst dabei gewesen. Der Wilde Westens ist einer der wenigen Mythen der Neuzeit, deren Erfindung uns lehrt, wie die Sagen von jeher entstanden sein müssen. Geschaffen von einzelnen, verallgemeinert für viele, als Allgemeingut akzeptiert, zum weltschöpfenden Kulturgut erhoben und schließlich in gängigen Bildern und kolportierten Geschichten zum wahren Geschehen (v)erklärt. Der postmoderne Mensch lässt sich spielerisch darauf ein, schafft es aber auch, Teil dieses Geschehens zu werden. So schlüpft denn auch der Maler Peter Sehringer in die Rolle seiner Jugendhelden, reitet im Pulk seiner fiktiven Kameraden durch die Prärie, belauert, vielleicht auch beschützt von den Donnervögeln, das sind Indianer, die aus dem Nichts aufzutauchen scheinen und dorthin auch wieder verschwinden. Oder er versetzt sich in jenen Protagonisten, der mit lässigem, auch nervösem Finger am Abzug seines Revolvers menschenverlassene Städte in Beschlag nimmt. Die neuen Bilder Sehringers stellen einen Höhepunkt im Schaffen des Malers dar. In Zeiten tiefster Verunsicherung und der Sehnsucht nach Vertrautem, in Zeiten des World Wide Web, das grenzenlosen, das heißt auch über den einzelnen Verstand hinausgehenden Zugriff auf das Wissen der Welt zulässt, erschafft Peter Sehringer den Mythos eines »wilden«, das heißt auch urwüchsigen, rauen »Wilden Westen« neu, in dem der Einzelne in einer Allgemeinheit aufgehen und doch seine Individualität bewahren kann, in dem der Künstler und der Betrachter eins werden können.